Erneute Untersuchung pädiatrischer COVID-19-Fälle in Bezirken mit und ohne Schulmaskenpflicht - Vereinigte Staaten, 1. Juli bis 20. Oktober 2021 (Preprint)

[Studienergebnisse zusammengefasst und übersetzt von M. Schnackenberg, bzw. via deepl.com]

In den Vereinigten Staaten aber auch hierzulande gibt es derzeit eine Debatte über die Notwendigkeit von Masken an Schulen. Bislang gibt es hierzu keine randomisierten kontrollierte Studien.

Alle Analysen der Wirksamkeit von schulischen Maskenpflicht beruhen bisher auf Beobachtungsstudien. Einige dieser Studien berichten zwar einen negativen Zusammenhang zwischen dem Tragen von Masken und der Zahl der Erkrankungsfälle, d.h. die Zahl der Maskenträger stieg, die Zahl der Erkrankungen sank. Es konnte aber keine konkrete Korrelation hergestellt werden.

Studien zu diesem Thema stehen vor der Herausforderung, die Unterschiede zwischen Regionen zu messen, die das Tragen von Masken in Schulen vorschreiben bzw. nicht vorzuschreiben. Solche Beobachtungsstudien benötigen ein Regressions-Diskontinuitäts-Design.

In Anbetracht der Tatsache, dass Millionen von Schulkindern seit Beginn der Pandemie die Maskenpflicht erfüllen mussten und dies möglicherweise auch in Zukunft tun müssen, ist es eine politische Notwendigkeit, ja Bringschuld zu evaluieren, ob diese Nutzen bringen oder die Nachteile überwiegen.

Die im Preprint vorliegende Studie aus den USA (publ. 25.05.2022) verfolgt zwei Ziele:

Erstens wiederholt und erweitert sie  eine viel zitierte Beobachtungsstudie des Centers for Disease Control (CDC) zu den Maskenvorschriften für Schulen von Budzyn et al. Sie nutzt jedoch eine größere Stichprobe von Schulbezirken und eine längeren Beobachtungszeitraum.

Das zweite Ziel der Studie ist es, zu zeigen, dass Beobachtungsstudien dazu neigen, falsche Korrelationen zu erkennen, insbesondere, wenn die Populationsgröße, -vielfalt und -dauer begrenzt ist.

In der MMWR-Veröffentlichung von Budzyn et al. heißt es, dass nach den Schulöffnungen im Herbst 2021 die pädiatrischen Fälle von Covid-19 in US-Bezirken, in denen es keine Maskenpflicht in Schulen gab, schneller anstiegen als in den Bezirken mit Maskenpflicht.

Die Ergebnisse zeigen zwar keinen kausalen Zusammenhang, dennoch wurde die Studie der CDC Basis politischen Entscheidungen und in den Medien als Beweis dafür angeführt, dass die Maskenpflicht in Schulen die Ausbreitung in den Gemeinden verringern kann.

Ergebnisse der wiederholten Studie

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse aus 565 Bezirken, die den in dieser Studie verwendeten Kriterien entsprechen, und analysiert Daten von drei Wochen vor bis sechs Wochen nach Schulbeginn.

Zwei Wochen nach der Öffnung der Schulen, dem Endpunkt der Studie von Budzyn et al, decken sich die Ergebnisse: In den Bezirken, in denen keine Masken getragen wurden, gab es im Durchschnitt etwa 30 zusätzliche tägliche pädiatrische Fälle pro 100.000 Kinder im Vergleich zu Bezirken mit Maskenpflicht.

Im Herbst 2021 waren also Maskenpflichtige mit weniger pädiatrischen Sars-CoV-2 in Bezirken verbunden, in denen die Schule bis zum 15. August begann.

 

Abbildung 1 zeigt jedoch auch, dass die Fälle in späteren Wochen schnell zurückgingen, und zwar in Bezirken ohne Maskenpflicht schneller. In der Tat endete die Budzyn et al. Studie endete genau zu dem Zeitpunkt, als die Zahl der Schulfälle in dieser Stichprobe von Bezirken ihren Höhepunkt erreichte. Am Ende der sechsten Woche nach der Wiedereröffnung lagen die durchschnittlichen pädiatrischen Fallzahlen in Bezirken ohne Maskenmandate bei 7,53 pro 100.000, während in Bezirken mit Mandaten der Durchschnitt bei 7,88 pro 100.000 lag;

Der Unterschied war statistisch nicht signifikant (p=0,9116).

Abbildung 2 zeigt eine größere Stichprobe von 1832 Bezirken, einschließlich der Bezirke, die nicht in die Analyse von Budzyn et al. aufgrund des späteren Schulbeginns nicht enthalten waren.

Es ist zu beachten, dass es 3142 Bezirke in den Vereinigten Staaten gibt, von denen jedoch viele nicht in Bezug auf die Schulmaskenpolitik klassifiziert werden können, da entweder aufgrund unzureichender Daten von MCH oder aufgrund der von Budzyn et al. verwendeten besonderen Kriterien.

Die größere Stichprobe von Bezirken ermöglicht es, eine viel breitere geografische Repräsentation von Bezirken zu verwenden und die Grundgesamtheit der Studie zu vergrößern. Dies ist wichtig für eine vollständige geografische Repräsentation, da die südlichen Bundesstaaten eher frühe Einschulungstermine haben.

Die Abbildung zeigt, dass es keine eindeutige Beziehung zwischen Maskenpflicht und pädiatrischen Fällen gibt. Bezirke, die Masken in Schulen vorschrieben, verzeichneten in den Wochen unmittelbar vor und nach Schulbeginn einen etwas größeren Anstieg der Fälle, aber in der zweiten Woche nach Schulbeginn gab es keinen statistischen Unterschied.

Am Ende von Woche 6 lagen die Fälle pro 100 000 Einwohner bei 22,0 in Bezirken ohne Maskenpflicht und 21,9 in Bezirken mit Maskenpflicht (p=0,936).

Als nächstes wurde eine multiple Regression der pädiatrischen Fallraten für beobachtbare Unterschiede zwischen den Bezirken geschätzt. In Anlehnung an Budzyn et al. umfasst die Regression die folgenden Varianten auf Kreisebene:

  • Alter, Rasse, ethnische Zugehörigkeit,
  • Covid-19-Gemeindeübertragung,
  • Bevölkerungsdichte,
  • Indexwert für soziale Verwundbarkeit,
  • Covid-19-Indexwert für Verwundbarkeit der Gemeinde (COVID-19 Community Vulnerability Index (CCVI)),
  • der Anteil der Arbeitslosen,
  • der Anteil der in Armut Lebenden und die pädiatrische Covid-19-Impfrate.

Die Regressionsergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.

In der Spalte 1 dieser Tabelle wird die gleiche Spezifikation wie Budzyn et al. verwendet und der fehlende Zusammenhang zwischen Maskenpflicht und Fallzahlen bestätigt: Nach Berücksichtigung der Ko-Varianten waren die pädiatrischen Fälle in Bezirken mit Maskenpflicht leicht höher, nämlich um 1,27 wöchentliche Fälle pro 100.000.

Spalte 2 von Tabelle 1 zeigt die Auswirkung des Herausnehmens des COVID-19 Community Vulnerability Index (CCVI). Der CCVI wird aus dem Index der sozialen Verwundbarkeit abgeleitet und korreliert stark mit diesem.

Wird diese Variable weggelassen, ergibt sich ein signifikanter positiver Zusammenhang (p<0,0001) zwischen Schulmaskenpflicht und pädiatrischen Fallzahlen. D.h. Maskenpflicht führt zu mehr Fallzahlen.

Diskussion

In der neuen Studie wurde das Hauptergebnis der ursprünglichen Studie von Budzyn et al. erfolgreich repliziert. Die Erweiterung zeigt jedoch, dass die damaligen Ergebnisse nicht für eine größere Stichprobe von Schulbezirken gelten, und auch nicht für die ursprüngliche Stichprobe von Schulbezirken, wenn sie auf ein längeres Zeitintervall ausgedehnt wird. Insbesondere, wenn die Stichprobe auf Bezirke ausgeweitet wird, die erst später im Herbst begonnen haben, findet sich kein Zusammenhang zwischen Maskenpflicht und pädiatrischen Fällen.

Selbst in den von Budzyn et al. untersuchten Bezirken verschwand der anfängliche Zusammenhang zwischen Maskenpflicht und reduzierten Fallzahlen, durch die Analyse eines längeren Zeitraums.

Bei Anwendung derselben Methoden und Kriterien für die Stichprobenbildung wie bei Budzyn et al, aber mit einem größeren Stichprobengröße und einen erweiterten Zeitrahmen für die Analyse, konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen schulischer Maskenpflicht und pädiatrischen COVID-19-Fällen hergestellt werden.

Es stellt sich in Frage, ob die Ergebnisse dieser Studie für das gesamte Land repräsentativ sein können und deutet darauf hin, dass mindestens eine wichtige geografische Störvariable die Beobachtungsstudien über die schulische Maskenpflicht in den Vereinigten Staaten beeinflusst.

Wenn die Masken nach dem Zufallsprinzip zugewiesen würden, wie z. B. in der Studie von Abaluck et al., dann ist die Beziehung zwischen der Maskenpflicht und den Fallzahlen möglicherweise eine kausale Interpretation, obwohl auch diese Studie erhebliche Einschränkungen aufweist.

Maskenpflichten werden jedoch nicht zufällig verordnet, sondern mit unbeobachteten Faktoren auf systematische Weise korreliert sein, so dass ein Rückschluss auf die Kausalität nicht möglich ist.

Schulbezirke, die Masken vorschreiben, unterscheiden sich wahrscheinlich aus vielen Gründen systematisch von denen, die dies nicht tun. Die hat Gründe: Erstens investieren erstere wahrscheinlich in andere Maßnahmen zur Eindämmung der Übertragung und unterscheiden sich möglicherweise durch ihre Testraten und -praktiken. Zweitens spiegeln die von den Schulbezirken getroffenen Entscheidungen die Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Gemeinde wider. Gemeinden, die sich um die Verbreitung von Covid-19 besorgt sind, werden wahrscheinlich auch andere Maßnahmen ergreifen, auch außerhalb der Schulen, die schließlich zu einer geringeren Verbreitung innerhalb der Schulen führen können.

Und schließlich dürfte der Zeitpunkt der öffentlichen Gesundheitsinterventionen mit dem Zeitpunkt privater Verhaltensänderungen korreliert sein.

Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit werden eingeführt, wenn die Fallzahlen hoch sind, also genau dann, wenn Mitglieder der Gemeinschaft auf die Medienberichterstattung reagieren und ihr eigenes Verhalten ändern.

Die neue vorliegende Studie verwendet ebenfalls lediglich Beobachtungsdaten und liefert auch keine kausalen Zusammenhänge.

Allerdings gibt es jedoch einen wichtigen Unterschied: Während das Vorhandensein einer Korrelation keine Kausalität impliziert, kann doch das Fehlen einer Korrelation darauf hindeuten, dass eine Kausalität sehr unwahrscheinlich ist, insbesondere wenn die Richtung der Verzerrung vernünftigerweise vorausgesehen werden kann.

Im Falle von Maskenpflicht an Schulen lässt sich die Richtung der Verzerrung recht gut vorhersagen. Private Verhaltensänderungen dürften sowohl im Querschnitt als auch im Zeitverlauf positiv mit öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen zur Reduzierung der sowohl im Querschnitt als auch im Zeitverlauf.

Eine Analyse, die das Ausmaß und den Zeitpunkt privater Verhaltensänderungen nicht berücksichtigt, selbst wenn sie Ko-Varianten kontrolliert, wird die Wirkung der Maskenpflicht tendenziell überbewerten und birgt die Gefahr, eine negative Korrelation zwischen Maskenpflicht und erfassten Fällen zu anzunehmen.

Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Entfernung redundanter sozioökonomischer Daten aus der Regressionsanalyse tatsächlich zu einem signifikanten positiven Zusammenhang zwischen Schulmasken und COVID-19-Fällen führte. (Community Vulnerability Index und Social Vulnerability Index). D.h. mehr Masken führten gleichzeitig zu mehr pädiatrischen Fällen.

Aus dem Anstieg der Fälle lässt sich keine Kausalität ableiten, aber dies zeigt, wie die mehrfache Kontrolle ähnlicher Variablen die Ergebnisse verändern kann, und die Einbeziehung des CCVI könnte den von Budzyn et al. festgestellten negativen Zusammenhang verstärkt haben.

Eine wichtige Einschränkung der Studie besteht darin, dass sie eine gewisse Wirksamkeit von Schulmaskenpflicht nicht ausschließt. Es kann jedoch gezeigt werden, warum der Rückgriff auf Beobachtungsstudien irreführend sein kann.

Solche Studien neigen aus zwei Gründen dazu, die Wirksamkeit von Maßnahmen systematisch zu überschätzen, anstatt sie zu unterschätzen:

Selektionsverzerrungen, die dadurch entstehen, dass sich bestimmte Gebiete für die Durchführung von Maßnahmen entscheiden, und Verzerrungen durch weggelassene Variablen, weil diese Gebiete wahrscheinlich auch andere, nicht beobachtete Maßnahmen durchführen.

Darüber hinaus führt der Publikations-Bias tendenziell zur Veröffentlichung von Studien mit signifikanten Ergebnissen. Bestimmte Fachzeitschriften veröffentlichen nur Ergebnisse die ihrer Präferenz entsprechen, wie es bei unserer Analyse der Fall war.

Unsere erweiterte Version der ursprünglichen Budzyn et al. wurde von MMWR nicht zur Veröffentlichung angenommen, obwohl sie die gleichen Methoden, aber eine erweiterte Population und einem erweiterten Zeitrahmen nutzte.

Dieses Vorgehen kann dazu führen, dass die veröffentlichte "Wissenschaft" eher eine sich selbst erfüllende Prophezeiung als ein unvoreingenommenes Streben nach Wahrheit ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studie im Gegensatz zu der viel zitierte erste CDC-Studie nicht zu dem Schluss kommt, dass Maskenpflicht in Schulen mit einem Rückgang der pädiatrischen COVID-19-Fälle in den Bezirken verbunden ist.

Die Studie zeigt vielmehr, wie irreführend Beobachtungsstudien sein können, wenn sie als Richtschnur für die Gesundheitspolitik genutzt werden.