Interpretation von Meldedaten bei Kindern und Jugendlichen (Beispiel NRW)

Nach wie vor gibt es politische Entscheidungsträger und Journalisten, die einzig anhand der Anzahl von positiven Tests, sogenannten Fallzahlen die Gefährlichkeit durch COVID-19 für die Gesellschaft bewerten. Nach zwei Jahren Meldedaten, vielen Studien und Erkenntnissen aus dem klinischen Alltag muss die Situation jedoch differenzierter interpretiert und erklärt werden, um in den Alltag und die Normalität zurückkehren zu können und die Menschen, die noch in Angst und Sorge sind auch mitnehmen zu können.

Besonders diffus läuft die Nachrichtenwelle, wenn es um Kinder und Jugendliche geht, denn die klassischen Dashboards geben die nötigen Informationen nicht her. Wer jedoch Zeitungsartikel 2022 noch mit Superspreader-Events tituliert oder gar dauerhafte Maßnahmen an Schulen fordert, sollte sich auch die Mühe machen zu erläutern, warum.

Eine fachliche Abwägung im Sinne einer Gesundheitsfolgenabschätzung müsste vorgelegt werden. Aus dem bestehenden Infektionsschutzgesetz lässt sich ein Aufrechterhalten der Grundrechtseinschränkungen für Kinder nicht mehr rechtfertigen. Auch wenn die Datenlage nicht optimal ist und viele Daten zurückgehalten werden, es gibt Zahlen, die eine differenzierte Zusammenschau ermöglichen. In der folgenden Tabelle eine Übersicht von Meldedaten für den Februar 2022 in NRW:

Erläuterungen zu den Meldedaten der Gruppe der 0-4-Jährigen

Aus den Melderegister der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) geht hervor, dass in der Gruppe der 0-4-Jährigen 40% unter einem Jahr sind, von denen macht mit 58% die Gruppe der Neugeborenen (0-2 Monate) den größten Anteil aus. Hintergrund ist der, das positiv getestete Säuglinge, bzw. Neugeborene von positiv getesteten Müttern in die Statistik mit eingehen.
Weitere Informationen zur Interpretation der Schwere der Erkrankung, bzw. zu Todesfällen hat die DGPI am 17.02.2022 zuletzt publiziert.

Die Mehrzahl der Kinder zeigt, so das RKI, nach bisherigen Studien einen asymptomatischen oder milden Krankheitsverlauf. So wurden laut Daten der Corona-KiTa-Studie bei etwa 35% der 0- bis 5-Jährigen mit vorhandenen klinischen Informationen keine COVID-19 relevanten Symptome angegeben.

Bedauerlicherweise stellt das RKI keine Differenzierung der Daten hinsichtlich der Gruppe der Neugeborenen bereit.

Die Gruppe der 5-14-Jährigen

Diese Gruppe ist die einzige Bevölkerungsgruppe, die von April 2021 bis Februar 2022 nahezu 100% getestet wurde. Es gibt hier sozusagen keine Dunkelziffer mehr. Es ist die Gruppe der Schüler von der 1. bis 8. Klasse. Diese Altersgruppe umfasst 9 Jahre und macht in NRW 1,64 Millionen Kinder aus.

Insgesamt sind mit Stand 5.3.2022 32% der Kinder in NRW in dieser Altersgruppe bereits genesen. Es ist von einer erheblichen größeren Anzahl auszugehen, da bis zum April 2021 nicht flächendeckend, unabhängig von Symptomen getestet wurde.

Diese Altersgruppe spielt im Vergleich zu den anderen Altersgruppen seit Beginn der Aufzeichnungen bzgl. der Schwere des Verlaufs bei einer COVID19 Infektion die geringste Rolle.

Die Zahl der Krankenhauseinweisungen ist die geringste im Vergleich der Altersgruppen. Der höchste Wert lag - seit Beginn der Aufzeichnungen - am 09.02.2022 mit 6,34 Kindern pro 100.000 Kinder/Woche (Hospitalisierungsinzidenz), die in NRW in ein Krankenhaus eingeliefert wurden und positiv getestet waren.

Die Meldedaten bestätigen die Hinweise der Kliniken über die hohe Anzahl von Zufalls- bzw. Nebenbefund bei Aufnahme in die Klinik hin. Am 09.02.2022 beispielweise wurden 54 der insgesamt 104 (Wochenmittel) Kinder, gleichzeitig positiv getestet und hospitalisiert gemeldet.

Kinder werden typischerweise zwischen 5 und 7 Tagen nach dem positiven Test in ein Krankenhaus eingewiesen.

In Relation zur Bevölkerungsanzahl dieser Altersgruppe ist in der Woche nach der höchsten positiven Fallzahl von 63.820 in KW 5, die Quote der Krankenhauseinweisungen weiter konstant extrem niedrig und sinkend.

98 Kinder mit Meldedatum vom 30.01.-05.02.2022 wurden in ein Krankenhaus aufgenommen. (Meldungen zu Hospitalisierungen werden beim RKI auf den Tag der Positivmeldung datiert.)

98 Kinder sind 0,006 % der Kinder in NRW, bzw. 0,154% der positiv getesteten Kinder dieser Altersgruppe. Zum Vergleich, der Wert lag bei den 60-79-Jährigen bei 2,7% in der Woche und bei den 80+ bei 9,3%.

Die Gruppe der 15-34-Jährigen

Leider ist es so, dass das RKI die Gruppe der Schüler (15-19- Jährigen) nicht altersdifferenziert darstellt. Die Altersgruppe 15-35 ist wenig sinnvoll, da sie ganz unterschiedliche Lebensphasen enthält. Sie betrifft Menschen, die im Arbeitsprozess, in der Schule, im Studium etc. verteilt sind. Außerdem gehört diese Gruppe teils auch zu einer Gruppe von Eltern.

Ein weiteres Problem stellt die Inkompatibilität der Altersgruppen im Zusammenhang mit den Impfquoten dar.

In dieser Gruppe ist nur der Teil der Schüler durchgehend getestet, wobei ein nicht unerheblicher Anteil der Altersgruppe seit längerem 2-3-fach geimpft ist und sich in der Freizeit im Rahmen der Möglichkeiten ohne Tests in Gruppen aufhalten konnte.

Die Altersgruppe umfasst 20 Jahre und ist mit 4,18 Millionen die zweitgrößte nach den 35-59-Jährigen. Die absolute Zahl der positiven Fälle lag daher natürlich immer über der der 5-14-Jährigen.

Auch in dieser Altersgruppe ist der Prozentsatz der Personen unter den positiv getesteten, die in ein Krankenhaus aufgenommen wurden – auch im Februar kontinuierlich gesunken: von 0,389% auf 0,358% Personen in NRW pro Woche. D.h. in der Woche vom 20.02. bis 26.02.2022 (KW 8) waren es 219 von 61.115 (siehe Tabelle oben).

Auch in dieser agilen Altersgruppe liegt der Prozentsatz der Genesenen inzwischen bei fast einem Viertel der Bevölkerung.

Weitere Informationen zu den Risiken einer Erkrankung bei Kindern

Kinder konnten in den vergangenen zwei Jahren sehr gut behandelt werden. Die Behandlungsverläufe sind in dem DGPI Survey bestens dokumentiert und in Stellungnahmen verschriftlicht.

 

Die Kontroverse um Maßnahmen an Schulen

Neben der Gruppe der Elterninitiativen*, die sich gemeinsam mit Facharztverbänden für das Ende der Maßnahmen an Schulen einsetzt, gibt es eine andere Gruppe, die Infektionen u.a. mit Fortführung einer Masken- und Testpflicht und mit dem Aussetzen der Präsenzpflicht unbedingt vermeiden möchte. Diese Gruppe argumentiert eng an der NoCovid Argumentationslinie, die u.a. von Melanie Brinkmann (Expertenrat), Dr. Jana Schröder in NRW u.a. vertreten wird. Hierzu gehört auch die Kampagne #wirwerdenlaut. Diese Gruppe möchte aus Sorge und Angst vor Langzeitbeschwerden oder Todesfällen und zum Schutz von vulnerablen Kindern** dauerhaft Maßnahmen für alle (!) Kinder aufrechterhalten. Eine Exitstrategie ist bisher von dieser Seite nicht kommuniziert.

Neben diesen beiden recht kleinen Gruppen gibt es eine große Mehrheit von Familien und Kindern, die sich ohne spezifisches politisches Engagement in die Situation fügt.

Es wird spannend sein zu sehen, ob die Facharztverbände sich bei der Politik Gehör verschaffen können oder ob die Politik sich anderer Argumente bedienen wird. Der März wird es zeigen.

PS: In NRW gibt es übrigens seit Beginn der Maßnahmen an Schulen, die Möglichkeit für Kinder, sich mit ärztlichem Attest wegen eigener besonderer Gesundheitsrisiken oder von Familienangehörigen vom Unterricht befreien zu lassen. (Infolink)

 

* in NRW u.a. Initiative Familie e.V., Laut für Familien NRW, Kinder brauchen Schule NRW
** Wer diese sind wird nicht genauer spezifiziert.

Weitere Übersichten zu den RKI Zahlen im Zeitverlauf und alterspezifisch aufbereitet (Fallzahlen, Hospitalisierungen, Impfquoten, Intensivbettenregister) unter https://zahlen.nadann.de